Wie funktioniert eigentlich Plakatdruck?

Im zweiten Teil unserer Reportage wohnen wir der Druckvorstufe und Plattenherstellung bei.

Erste Vorbereitungen in der Druckvorstufe
Wir wollen die einzelnen Schritte des Druckvorgangs nun detailliert betrachten: In der Druckvorstufe sind in Kempen drei Mediengestalter an Bildschirmen beschäftigt. Hier wirkt das Druckhaus fast wie ein normales Büro – wenn nicht der Drucker im Nebenraum wie ein kleines Raumschiff aussähe und dementsprechend auch Krach machen würde. Früher nannten sich solche Fachleute noch Montierer und waren an großen Leuchttischen beschäftigt. Heute kommen die Daten als PDF ins Haus. Andreas Pockrandt sitzt gerade an einem City Light Poster: Auf dem Motiv markiert er ein Sichtfeld und überprüft so, ob Schriften oder Logos zu nah am Rand stehen und später bei der Aufhängung durch den Rahmen abgedeckt wären. 

Das PDF mit der realen Sichtfläche wird dann noch einmal zur Freigabe an den Kunden zurückgeschickt. 95% der Agenturen denken mittlerweile an den Beschnitt und Pflichtrand, aber manch Gestalter geht auch noch recht unbedarft an das Motiv heran. „Auch bei 18/1 macht sich nicht jeder Gedanken über die Teilung. Wir machen die Kunden dann aufmerksam, wenn die Schnitte durch Schriften oder ein Gesicht im Motiv führen,“ vermerkt Pockrandt. „Und wenn der Rat nicht angenommen wird, weil das Motiv nicht verändert werden darf, sind die Kleber gefragt, die dann sehr passgenau arbeiten müssen,“ fügt Schossau hinzu.

Digitaldruck – fast wie beim Tintenstrahl zu Hause
Pockrandt führt bei diesem Vorgang noch Zeichen für die Druckmaschine und weitere Infos den Druckdaten hinzu: der Kunde wird vermerkt, das Ganze mit einer Auftragsnummer zur Zuordnung versehen, Passkreuze und eine Farbskala hinzugefügt. Nach der finalen Freigabe gehen die Daten im Fall des Offsetdrucks per CTP (Computer To Plate) in einen ersten Drucksaal zum Plattenbelichter. In unserem Fall des CLP-Motivs aber gehen die Daten auf den HP-Riesen, wo ähnlich wie bei einem Tintenstrahldrucker die Farbe aufgesprüht wird. Der große Unterschied zur heimischen Patrone, die hin- und herfährt: Hier tragen viele Sprühknöpfe nebeneinander bei jeder Rotation einer großen Rolle eine dünne Schicht Farbe auf – Stück für Stück. Diese glänzt anfänglich sehr stark, und entsprechend muss das Papier danach getrocknet werden. 70 Bögen schafft die Maschine pro Stunde, das Papier ist 150 Gramm stark, was für rotierende Motive in den Leuchtkästen sehr sinnvoll ist, damit die Plakate beim Weitertransport nicht reißen.

Chemikalien und viele rotierende Rädchen
Wir verlassen die digitale Zukunft und laufen weiter durch das Gebäude. Ein anderer Saal erinnert schon eher an eine typische analoge Druckerei: Verdammt große Maschinen mit zahlreichen rotierenden Transporträdern tun hier ihren Dienst. Die Luft verändert sich, es riecht nach Farbe und Chemikalien. Gar nicht mal unangenehm, eher sogar vertraut. Michael Boehlke stellt gerade die riesigen Druckplatten für ein weiteres CLP her. In diesem Fall aber wird es im guten, alten Offsetdruck produziert; ein sogenannter Konterdruck entsteht: Der wird spiegelverkehrt auf der Rückseite von Plakaten für von hinten beleuchtete Flächen angewendet, um die Farben entsprechend kräftig zur Geltung zu bringen. 

Nun bewegen sich die Transportrollen: eine große beschichtete, bläuliche Aluplatte bahnt sich ihren Weg über die Rädchen, gerät unter eine Ansammlung parallel aufgehängter Walzen und wird dort gewässert. Allmählich sind gespiegelte Schriften auf dem Alu zu erkennen. Gespiegelt in diesem Fall, da es sich wie oben erwähnt um den Konterdruck auf der Rückseite eines CLP handelt. Durch eine Belichtung, ganz ähnlich dem klassischen Fotopapier, und die Bewässerung werden nicht zu druckende Elemente in verschiedenen Nuancen weggewaschen. Pro Druckfarbe entsteht so eine Platte, für vier Stück braucht Boehlke rund 15 Minuten. „Außerdem ordne ich hier die Aufträge zu, sortiere die Platten, schaue, ob die Bilder in Ordnung sind und prüfe die Druckmuster –  sodass der Drucker am Ende die Platten vernünftig abholen kann,“ umschreibt er seinen Job.

Von der Platte auf ein Gummituch auf das Affichenpapier
Dann geht es ans Eingemachte, an den eigentlichen Druckvorgang: Dabei wird – grob umschrieben – von den Stellen der nun erzeugten Druckplatte, an denen noch Reste der chemischen Beschichtung vorhanden sind, Farbe auf ein Tuch aufgetragen. Das ist spezifisch für den Offset-Druck, ein indirektes Druckverfahren. Je nach Dichte der noch vorhandenen Beschichtung wird eine entsprechende Farbmenge auf ein Gummituch  und dann schließlich auf das Papier übertragen. 

Bei unserem Gang bis zur Druckhalle durchqueren wir zahlreiche Lagerhallen. An vielen Säulen hängen oben Belüftungsgeräte, aus denen Wasserdampf herauszischt. Das wirkt mitunter wie ein sehr futuristischer Film. Ist aber notwendig, damit sich das Papier nicht verzieht. Unzählige Paletten von Affichenpapier lagern in Kempen. „Affiche“ kommt aus dem Französischen und bedeutet „Anschlagzettel“, „Plakat“ oder „Aushang“. Die Rückseite ist grau-bläulich eingefärbt – was ein Durchschimmern von überklebten, früheren Motiven auf der Plakatwand verhindert. Vor allem bei Regen, wo auch eine Papierstärke von 115 g/m² schon mal dünn wirken kann. Im Naßklebeverfahren ist dieses Affichenpapier unerlässlich und wird seit rund 20 Jahren so entsprechend auch vorbereitet von den Herstellern geliefert.

 

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